Margot Scholte und Peter van Splunteren - Achtung!

Achtung! Zum systematischen Umgang mit Signalen in der Sozialarbeit

Margot Scholte Peter van Splunteren

Aus dem Niederländischen von Annette Löffelholz

Erste Auflage der deutschen Übersetzung 2010, nach der niederländischen Auflage 2007

C

u i t g e v e r ij

c o u t i n h o

bussum 2010

Zu diesem Buch gehört eine - niederländische! - Website mit weiterem Material. Diese finden Sie unter www.coutinho.nl .

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Erste Auflage der deutschen Übersetzung 2010, nach der niederländischen Auflage 2007

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ISBN

978 90 469 0233 2

NUR

752

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Vierzehn Jahre nach Erscheinen der ersten niederländischen Ausgabe Opgelet! wurde nun mit dem Verlag Coutinho vereinbart, das Buch unter dem Titel Achtung! auch auf Deutsch herauszubringen. Die Methode hat sich hervorragend an Bildungseinrichtungen und in der Praxis bewährt, und die sozialpädagogischen Studiengänge niederländischer Hochschulen stoßen auf sehr reges Interesse bei deutschsprachigen Studierenden. Beim erneuten Lesen dieses Buchs fiel mir auf, dass der Inhalt nach wie vor aktuell ist. Auch die Beispiele muten keineswegs altbacken an und sollten auf ein Nachbarland übertragbar sein, sodass ich es ruhi gen Gewissens wagen kann, sie auch in diese Ausgabe zu übernehmen. Durch den zeitlichen Abstand und das andere Sprachgebiet wurde aber auf die ursprüngliche Angabe der Einrichtungen und Kontaktperso nen, mit denen wir in den Neunzigern die Systematik des Signalisie rens entwickelt hatten, verzichtet. Das bedeutet, dass wie schon in der überarbeiteten niederländischen Ausgabe von 2007 auch in der deut schen Ausgabe die eigentliche Systematik stärker betont wird.

Zu diesem Buch ist im Internet unter www.coutinho.nl weiteres (nie derländisches) Material zu finden.

Die im Buch verwendeten männlichen Bezeichnungen gelten auch für Frauen.

Ich hoffe, dass diese Ausgabe den Erwartungen deutschsprachiger Leser entsprechen wird. Ideen für eine Weiterentwicklung des Inhalts sind willkommen. Bei der Vorbereitung einer künftigen Ausgabe werde ich gern von diesen Anregungen Gebrauch machen.

Sommer 2010

Margot Scholte

Inhalt

Einleitung

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1 Eine kurze Literaturübersicht

11 11

1.1 Signalisieren als erste Phase der Prävention 1.2 Signalisieren als Ergänzung zu unterstützenden Maßnahmen 1.3 Signalisieren als Teil der Berufspraxis 1.4 Der Umgang mit Signalen in der Praxis

12 13 16 18 19 19 19 21 23 24 27 30 34 36 43 45 45 46 48 49 51

1.5 Zusammenfassung

2 Signalisieren konkret gestalten

2.1 Erläuterung des Begriffs „Signalisieren“ 2.2 Die Bedeutung des Signalisierens 2.3 Signalisieren als zyklischer Prozess

3 Signalisieren: systematisch und schrittweise

3.1 Schritt 1 – Signale auffangen

3.2 Schritt 2 – Entscheiden: Ist eine genauere Analyse nötig?

3.3 Schritt 3 – Signale analysieren

3.4 Schritt 4 – Entscheiden: Sind Maßnahmen ratsam und realisierbar?

3.5 Schritt 5 – Maßnahmen ergreifen

3.6 Schritt 6 – Evaluieren

4 Erläuterung des gesamten Verfahrens mit Beispielen

4.1 Der Bibliotheksbus

4.2 Kooperationen für Asylbewerber

4.3 Ein neues Angebot für stressgeplagte Männer 4.4 Informationen zu gesetzlichen Regelungen

4.5 Mitbestimmung im Stadtteil

5 Anwendung des Verfahrens in der Einrichtung

53 54 55 55 56 57

5.1 Signalisieren erfordert Richtlinien

5.2 Signalisieren erfordert (geschulte) Mitarbeiter 5.3 Signalisieren erfordert Organisation 5.4 Signalisieren erfordert Qualitätssicherung

5.5 Signalisieren erfordert Feedback

Zusammenfassung

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Anlagen

63 63 71

1 Meldebögen

2 Checklisten

Literaturverzeichnis

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Register

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Einleitung

In den Niederlanden drohen in dem Gebiet zwischen den großen Flüssen die Deiche zu brechen. In manchen Dörfern ist das Wasser schon bis zu den Binnendeichen vorgedrungen. Weiträumige Evakuierungsmaßnahmen sind in vollem Gange. In der Bevölkerung herrscht große Unruhe. Was soll ich alles mitnehmen? In welchem Zustand wird meine Wohnung sein, wenn ich zurückkehren kann? Wer wird für den Schaden aufkommen? Bei den sozialen Einrichtungen gehen viele Anrufe von Betroffenen ein, die um Informationen und Ratschläge bitten. Aufgrund der bedrohlichen Lage beschließt das Management, die Helfer in den nächsten Tagen in Bereitschaft zu versetzen. In Absprache mit den Kommunen und Krisenzentren werden Maßnahmen für die Aufnahme der Opfer beschlossen. Diese Situationsschilderung zeigt anschaulich, wie im Sozialbereich mit Signalen umgegangen wird. Es wird deutlich, wie aufmerksam man hier auf eine plötzliche Gefahrensituation reagiert, die Menschen in große Bedrängnis bringen kann. Der richtige Umgang mit Signalen gehört zu den wichtigen Aufga ben sozialer Einrichtungen. Blättert man in Texten von Einrichtungen, findet man diese Einschätzung oft bestätigt; auch in Gesprächen mit Mitarbeitern und Managern wird diese Auffassung häufig geäußert. Wer sich dann jedoch die Mühe macht, die Publikationen zu diesem Thema zu durchforsten, ist rasch damit fertig. Einige wenige Bücher, hier und dort ein Artikel, ein paar Unterrichtseinheiten von Hochschu len – das ist auch schon alles. Hinzu kommt, dass sich der hohe Stellenwert des Signalisierens im Berufsalltag nicht in einer hervorragenden Umsetzung dieser Auf-

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Achtung!

gabe niederschlägt. Nicht wenige Sozialarbeiter, leitende Mitarbeiter und Manager haben Mühe, Signale und Signalisieren praktisch umzu setzen. Was genau ist zu tun? Worauf sollte aufmerksam gemacht werden? Was bedeutet ein Signal? Kapitel 1 enthält eine kurz gefasste Darstellung der unterschiedlichen Bedeutungen des Signalisierens. Kapitel 2 vermittelt dann einen Ein druck vom praktischen Umgang mit Signalen in der Sozialarbeit. Im Kapitel 3 wird der Begriff in ein Verfahren eingebunden und kon kret herausgearbeitet; ergänzend dazu werden unterschiedliche Tech niken des Signalisierens beschrieben. Kapitel 4 macht deutlich, wie das skizzierte Verfahren in der Praxis aussehen kann. Illustriert wird dies zusammenmit den Entscheidungs kriterien anhand von praktischen Beispielen. In Kapitel 5 geht es darum, wie ein effektiver Umgang mit Signa len in einer Einrichtung verankert werden kann. Was ist dafür mindes tens nötig, und wie können die Mitarbeiter für diese Aufgabe motiviert werden? Die Anlagen enthalten verschiedene Meldebögen und Checklisten. Anlage 1 besteht aus drei Meldebögen, die als Vorbild dienen sollen. Anlage 2 umfasst Checklisten, die bei den einzelnen Schritten aus dem Entscheidungsmodell als Anregung und Orientierungshilfe benutzt werden können.

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1

Eine kurze Literaturübersicht

Signalisieren ist ein vielgestaltiges Phänomen, das sich sehr unter schiedlich manifestieren kann. Anders ausgedrückt: Jeder hat seine eigene Meinung dazu. In der Literatur haben sich – wie auch in der Praxis – drei Blickwinkel durchgesetzt. Signalisieren als erste Phase der Prävention soll Risikofaktoren aufdecken, um (psychische) Beeinträchtigungen zu vermeiden beziehungsweise zu mindern. Signalisieren als Ergänzung zu den sozialen und pflegerischen Tätigkeiten zielt auf individuelle Klienten ab, um die Qualität der Hilfeleistung zu verbessern. Signalisieren als Bestandteil der beruflichen Praxis knüpft an die Hilfeleistung an, richtet sich einerseits auf die Aufdeckung von Risikofaktoren und dient andererseits dazu, andere zu warnen und Missstände in den gesetzlichen Bestimmungen sowie Lü cken und Defizite von Maßnahmen, Mitteln und Einrichtungen aufzuzeigen. X Y Z

1.1

Signalisieren als erste Phase der Prävention

Der erste Blickwinkel entspricht den Präventivmaßnahmen, die von den psychiatrischen Einrichtungen (Geestelijke Gezondheidszorg / GGZ) konzipiert und durchgeführt werden, um schwerwiegende psy chische Probleme zu verhindern oder frühzeitig zu entdecken und auf diese Weise die Chancen für eine erfolgreiche Behandlung zu ver größern. Darüber hinaus wird präventiv eingegriffen, um Menschen,

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Achtung!

die bereits unter psychischen Störungen leiden, vor Schlimmerem zu bewahren – unter anderem, indem man die Folgen mindert oder die Entstehung anderer Störungen verhindert. Prävention gehört zum Aufgabenbereich psychiatrischer Einrichtungen (GGZ), (kommuna ler) Gesundheitsämter (Gemeentelijke Geneeskundige Dienst / GGD), Schulen und Einrichtungen der Jugendsozialarbeit (Ruiter, Bohlmeijer und Blekman, 2005). Signalisieren wird in diesem Kontext meistens in einem Atemzug mit Prävention genannt. Es findet in der Vorphase der Prävention statt, in der einer Entscheidung für einen bestimmten Aspekt der Prävention eine ausführliche und tragfähige Analyse vorausgeht. Hierbei geht es um das Aufdecken von Risikofaktoren und Umständen, die zur Ent stehung psychischer Probleme führen (können). Zu dieser Form des Signalisierens gehört eine breite Skala spezifischer Untersuchungsme thoden. Prävention ist auch ein Arbeitsfeld der Sozialarbeit. Allerdings ist die Aufdeckung und systematische Untersuchung von Risikofaktoren hier nie richtig entwickelt worden. Die psychosozialen Dienste (Alge meen MaatschappelijkWerk / AMW) richten ihre präventiven Maßnah men zuallererst auf (neue) Probleme innerhalb der schon bekannten Klientengruppe(n) und leisten unter anderem Aufklärung und präven tive Gruppenarbeit. Beim zweiten Blickwinkel wird Signalisieren als aktives Handeln ver standen, das Teil eines sorgfältigen Hilfsangebots an einzelne Klien ten und Klientensysteme ist. Diese Sichtweise gilt nicht nur für den psychosozialen Bereich, sondern auch für andere Formen der Unter stützung und Begleitung, die sich über einen längeren Zeitraum erstre cken, wie beispielsweise die häusliche Pflege und soziale Aktivitäten. Signalisieren bezieht sich hier auf das individuelle Funktionieren von Klienten und Klientensystemen, weniger auf Defizite in deren Umfeld. Ein verändertes Funktionieren könnte ein Signal für eine Verschlechte rung sein. So leidet ein älterer Mensch, der immer öfter Essensreste im Kühlschrank verderben lässt oder immer mehr Saftkartons im Keller hortet, möglicherweise unter einer beginnenden Demenz. In der häus-

1.2 Signalisieren als Ergänzung zu unterstützenden Maßnahmen

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